Eine bleibende Faszination geht von dieser herausragenden Frauengestalt des Mittelalters aus, der Ordensfrau und Äbtissin Hildegard von Bingen. Visionäre Begabung, ganzheitliches Denken, Begegnung mit Kranken von nah und fern, eigene Erfahrungen sowie die Tradition des Benediktinerordens bestimmten ihr Leben. Der Rochusberg bei Bingen, dort befindet sich heute ein Hildegard-Heilpflanzengarten bei den St. Hildegardis Kreuzschwestern, und auf der gegenüberliegenden Rheinseite, Kloster Eibingen, waren Stätten ihres Wirkens. 1998 war der 900. Geburtstag der Hildegard von Bingen (1098 – 1179).

Zu diesem Anlass errichteten wir im Apothekergarten ein Beet mit Heilpflanzen aus der Hildegard-Zeit. Bis in unsere Zeit wirken die Erkenntnisse und Erfahrungen dieser einzigartigen Klosterfrau über den Heilwert von etwa 230 Pflanzenarten nach. Seit 1970 propagieren der österreichische Arzt Dr. Gottfried Hertzka (1913 – 1977) und der Heilpraktiker Dr. Wighard Strehlow in den deutschsprachigen Ländern die Naturheilverfahren der Hildegard, die so- genannte „Hildegard-Medizin“. Hertzka erklärt sie zur Medizin für jedermann.

Zeit ihres Lebens unter einer chronischen Krankheit leidend, die sie immer wieder niederwarf, schrieb sie zwischen 1150 und 1165 die beiden Werke, die

  • Physica (liber simplicis medicinae, das Buch der einfachen Medizin) eine Beschreibung bestimmter Arznei- und Heilmittel.
  • Causa et curae (Heilkunde) die Heil- und Behandlungsmethoden verschiedener Krankheiten.

Folgende Pflanzen der Hildegard-Medizin finden Sie zurzeit im Apothekergarten:

  • Bertramwurzel
(Anacyclus pyrethrum (L.) Link, früher Rad. Pyrethri Romani)
  • Betonie, oder echter Ziest
(Stachys officinalis L.)
  • Alraune
    gehört zu den ältesten Arzneipflanzen
(Mandragora officinarum L.)
  • Bachbunge
(Veronica beccabunga L.)
  • Eisenkraut
(Verbena officinalis L.)
  • Edelkastanie
(Castanea sativa L.)
  • Dinkel, Dinkelweizen
(Triticum spelta L.)
  • Galgant
    zur Anpflanzung vorgesehen
(Alpinia officinarum Hance,)
  • Gemeine Pestwurz
(Petasites hybridus (L.) GAERTNER)

Hören wir uns einmal an, was Hildegard im 12. Jahrhundert über den Bertram sagt!
„Einem gesunden Menschen ist er (Bertram) gut zu essen, weil er die Fäulnis in ihm mindert und das gute Blut vermehrt und einen klaren Verstand macht. Aber auch einem Kraftlosen, dem schon fast der Körper versagt, bringt er wieder Kräften, und er duldet nicht, dass etwas den Magen unverdaut verlässt, sondern er bereitet gute Verdauung“.

Eine der bedeutendsten Heilpflanzen der „Hildegard-Medizin“ ist die Galgant-Wurzel (Alpinia officinarum HANCE) aus der Familie der Ingwergewächse. Laut Hildegard von Bingen ist das Hauptanwendungsgebiet Herz- und Kreislaufschwäche, Schwindel sowie Magen- und Darmprobleme. Hören wir doch mal, was Hildegard über den Galgant sagte:

“Wer im Herzen Schmerzen leidet und wem von Seiten des Herzens ein Schwächeanfall droht, der esse sogleich eine hinreichende Menge Galgant und es wird ihm besser gehen. Und ein Mensch, der ein hitziges Fieber in sich hat, trinkt Galgantpulver in Quellwasser und er wird das hitzige Fieber löschen.“

Das Bundesamt für Arzneimittel- und Medizinprodukte hat 1997 das Fertigarzneimittel Galganttabletten 0,1g Jura® als wichtigstes Heilmittel der „Hildegard-Medizin“ zugelassen. Die „Hildegard-Medizin“ beruht auf den Erfahrungen und dem Wissen des Mittelalters. Von einer Eigentherapie nach den Grundideen der „Hildegard-Medizin“ ist bei Beschwerden ernsterer Natur dringend abzuraten.

Die Anzucht im Apothekergarten ist schwierig, denn die eigentlichen Anbaugebiete liegen in Südostasien unter anderen klimatischen Bedingungen.

Hildegard-Originalzubereitungen nach Dr. Hertzka, dem Begründer der Hildegard-Medizin, werden heute hergestellt von der Firma Jura Pharmazeutische Fabrik Gollwitzer KG in 78464 Konstanz, Tel. 0 75 31 /31 487 oder 31 005.

Eisenkraut

Römischer Betram

Alraune

Gemeine Pestwurz

Betonie oder Echter Ziest

Galgant