Die Rundhütte ist der Mittelpunkt des 5500 qm großen Apothekergartens. Vielleicht werfen Sie einen Blick auf die Vitrine unter der Rundhütte. Diese wurde von der Firma Weleda, Schwäbisch Gmünd, gestiftet. Hier wird jedes Jahr mit wechselnden Dekorationen eine Heilpflanze ausgestellt. Oft handelt es sich dabei um Arzneipflanzen, deren Wirksamkeit nach dem heutigen Stand der Wissenschaft belegt ist (evidence based medicine).

Neben der Rundhütte fällt ein nierenförmiges Sonderbeet auf. Dort wachsen Pflanzen von jeweils aktueller Bedeutung, zurzeit sind es:

Johanniskraut (Hypericum perforatum L.)

Der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg hat das Echte Johanniskraut zur Arzneipflanze des Jahres 2015 ausgewählt. Johanniskraut wurde bereits in der Antike als Heilpflanze verwendet. Als Heilpflanze der Klostermedizin wird diese bereits im „Lorscher Arzneibuch“ aus dem 8. Jahrhundert nach Chr. zur Behandlung von Melancholie erwähnt. Die ersten kontrollierten klinischen Studien zur antidepressiven Wirkung begannen etwa um 1985. Johanniskraut enthält zahlreiche Naturstoffe. Für die antidepressive Wirkung ist das Zusammenwirken von vermutlich mindestens drei Wirkstoffgruppen erforderlich, den Hypericinen, den Hyperforinen und den Flavonoiden. Hypericin ist auch verantwortlich für die Rotfärbung, die beim Zerreiben der roten Blüten entsteht. Fehlt nur einer dieser drei, kommt es nicht zur antidepressiven Wirkung. Der Hauptwirkstoff Hyperforin erhöht im Gehirn durch die Wiederaufnahmehemmung von Botenstoffen wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin die Konzentration in den Synapsen (dies sind Kontaktstellen zwischen Nervenzellen). Der Pflanzenextrakt wirkt nicht sofort, sondern muss in ausreichender Dosierung einige Wochen lang eingenommen werden, bis sich eine stimmungsaufhellende Wirkung einstellt. Jedoch sprechen nicht alle Patienten darauf an. Eingestellte Johanniskraut-Extrakte (sogenannte Spezialextrakte) gehören heute zu den wichtigsten Arzneimitteln zur Behandlung von leichten und mittelschweren Depressionen, nervöser Unruhe sowie psychovegetativen Störungen. Bei schweren Depressionen sind diese nicht wirksam. Weltweit gibt es etwa 400 Arten von Johanniskraut. In Deutschland sind 9 Arten heimisch, von denen nur das Echte Johanniskraut arzneilich verwendet wird. Der Anbau der Arzneipflanze erfolgt heute in Plantagen. Nur so kommt man zu standardisierten Extrakten, die für Arzneimittel verwertbar sind. Die Pflanze neigt auch dazu Schwer-metalle wie Cadmium und Blei zu akkumulieren, was eine Auswahl geeigneter Standorte für den Anbau erforderlich macht. Außerhalb der Apotheke erhältliche Johanniskraut-Präparate reichen wegen nicht ausreichender Tages-dosierung für eine anti-depressive Behandlung nicht aus. Lange Zeit galten Johanniskraut-Präparate als fast frei von Neben-wirkungen. 1999 erschienen erste Berichte über die zum Teil erhebliche Abschwächung der Wirksamkeit von Ciclosporin und anderen Arzneimitteln. Johanniskraut-Extrakte führen, wie wir heute wissen, zu einer erhöhten Aktivität des Leberenzyms Cytochrom-P450 3A4 und des Transporterproteins P-Gykoprotein. Dies führt zum Absinken der Plasmaspiegel zahlreicher Arzneimittel (zum Beispiel Statine, Bluthochdrucksenker, Gerinnungshemmer, Ovulationshemmer). 2003 wurden Johanniskraut-Präparate mit der Indikation mittelschwere Depression apothekenpflichtig und 2009 rezeptpflichtig. Eine wichtige Aufgabe für die Apotheker/innen ist damit, sich bei jeder Abgabe eines Johanniskraut-Präparates zu erkundigen, welche sonstigen Arzneimittel der Patient einnimmt. Nicht ohne Grund warnen Mediziner vor einer leichtfertigen Selbstbehandlung. Bei hellhäutigen Menschen und hohen Dosen der Johanniskraut-Extrakte sind bei Sonnenbädern sonnenbrandähnliche Reaktionen möglich, selbst dann, wenn die Präparate schon vor mehreren Tagen abgesetzt wurden. Äußerlich werden ölige Johanniskraut-Zubereitungen verwendet zur Behandlung und Nachbehandlung von scharfen und stumpfen Verletzungen, Myalgien und Verbrennungen ersten Grades. Literatur: Teedrogen und Phytopharmaka von Max Wichtl, 5. Auflage

Süßholz (Glycyrrhiza glabra L.)

Aus deren Wurzelstock stellt man die allseits bekannte Lakritze her.

Die Bedeutung der Süßholzwurzel wächst ständig. Seit Langem sind die magenschleimhautschützende, die sekretlösende und abhustende (expektorierende) Wirkung bei festsitzendem Husten bekannt.

Glycyrrhizinsäure ist ein charakteristischer Inhaltsstoff der Süßholzwurzel. Seine Süßkraft ist 170-mal stärker als die des Rohrzuckers. Man weiß inzwischen, dass die Wirkstoffe der Süßholzwurzel (vor allem Glycyrrhizinsäure, Glycyrrhetinsäure, Flavonoide) virushemmende Eigenschaften haben. Aufgrund Studien der letzten Jahre gibt es neuere Erkenntnisse über leber-, cyto- und neuroprotektive sowie immunstimulierende und tumorhemmende Wirkungen. Bluthochdruckpatienten sollten keine süßholzhaltigen Präparate einnehmen. Dies gilt auch für Lakritze. Durch längerfristige Einnahme von Süßholzpräparaten kann sich auch bei gesunden Personen wegen einer indirekten Corticoidwirkung ein Bluthochdruck entwickeln.

Schild am Beet

Einjähriger Beifuß (Artemisia annua L.)

auch Artemisia-annua-Kraut oder Chinesische Malariapflanze genannt. Das Kraut der Artemisia annua, auch Chinesischer Beifuß genannt, wurde bereits 168 v. Chr. in der chinesischen Volksheilkunde beschrieben und wird seit etwa 340 n. Chr. in China als Fieber- und Malariamittel verwendet. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden bei einer archäologischen Grabung antike Heilmittelrezepte gefunden, auch solche mit der Artemisia annua. Während der Kulturrevolution begann eine systematische Überprüfung alter Schriften über Pflanzenheilkunde. Dabei entdeckte man, dass ein Extrakt aus Artemisia annua nicht nur schnell Fieber senken kann, sondern auch Malariaparasiten wirksam abtötet. Nach der Isolierung des Artemisinins aus dem Extrakt der Pflanze im Jahre 1972 durch die Chinesin Youyou Tu, die 2015 dafür sowie für ihre Forschung in der Malaria-Therapie den Nobelpreis für Medizin erhielt, setzte man große Hoffnung in die Arzneipflanze. Die erste klinische Studie in zwölf chinesischen Krankenhäusern an 2099 Patienten im Jahre 1973 bestätigte diese Jahrtausende alte Erkenntnisse. In Deutschland gibt es ein Medikament (Riamet) zur Behandlung der Plasmodium-falciparum-Malaria, das neben dem Hauptwirkstoff Artemisinin (Qinghaosu) der Artemisia annua (kommt nur im grünen Teil der Pflanze vor) noch einen weiteren jedoch synthetischen Antimalariawirkstoff enthält um einer schnellen Resistenz vorzubeugen. Artemisinin zeigt im Vergleich zu anderen Antimalariamitteln nur wenig Nebenwirkungen und wird auch erfolgreich eingesetzt gegen chloroquinresistente Plasmodien. Es kommt zu einer Reaktion mit Eisen, das sich in hohen Konzentrationen in Malariaerregern befindet. Gerät nun Artemisinin in Kontakt mit Eisen, kommt es zu einer chemischen Reaktion, durch die freie Sauerstoff-Radikale erzeugt werden. Diese haben eine zerstörerische Wirkung auf die Malariaerreger. Dabei kommt es zu einer selektiven Aufnahme des Artemisinins in die von Malariaerregern befallenen Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Im Gegensatz zu den nicht infizierten Erythrozyten wird Artemisinin durch infizierte Erythrozyten in mehr als 100facher Konzentration aufgenommen. Artemisinin ist dadurch in der Lage, die im Blut befindlichen Parasiten zuverlässig abzutöten. In Arzneipräparaten werden wegen der ungenügenden Löslichkeit von Artemisinin zur Wirkungsverbesserung verschiedene halbsynthetische Derivate verwendet, wie zum Beispiel Artemether und Artesunat. Von der Artemisia annua auf dem Sonderbeet im Apothekergarten geht ein scharfer Geruch aus, wie wir es schon vom Wermut kennen. Man erkennt sofort, dies muss eine Arzneipflanze sein. In China heißt diese Pflanze auch Qing Hao. Auch in Krebszellen können größere Mengen an Eisen vorkommen. Gibt man Artemisinin, kommt eine ähnliche Reaktion wie bei Malariaplasmodien zustande. In Krebszellen werden dann Sauerstoff-Radikale freigesetzt, sodass Krebszellen zerstört werden. Bestätigt wurde dies an Brustkrebszellkulturen sowie an Leukämiezellen. Großflächige klinische Studien liegen zurzeit noch nicht vor.

Kapland-Pelargonie, Umckaloabo® (Pelargonium sidoides DC.)

Verwendet wird die Umckaloabo-Wurzel. Umckaloabo ist in Südafrika eine traditionell genutzte Heilpflanze gegen Durchfall, Magen-Darm- und Leberbeschwerden sowie Husten und nicht zuletzt gegen Tuberkulose. Im Handel sind alkoholische Extrakte der Wurzeln in Form von Fertigarzneimitteln. Heutige Anwendungen sind akute und chronische Infektionen insbesondere der Atemwege und im Hals-Nasen-Ohren-Bereich wie Bronchitis. Ein verbesserter Schleimtransport aus den Bronchien, eine verstärkte Aktivität der Flimmerhärchen (Zilien), sowie immunstimulierende Eigenschaften rufen offenbar diese Wirkungen hervor. Anwendungsbeschränkungen wie bei der Schwangerschaft sind zu berücksichtigen. In der Zulu-Sprache bedeutet Umckaloabo so viel wie „starker Husten“. Bei gleichzeitiger Einnahme von Gerinnungshemmern, zum Beispiel Phenprocoumon und Warfarin, ist eine verstärkte Wirkung dieser Mittel nicht auszuschließen. Gelegentlich können sie auch zu einer Erhöhung der Leberwerte führen.

Graubehaarte Zistrose (Cistus creticus L., oder Cistus incanus auct. non L.)

Überall in Mittelmeerländern, zum Beispiel auf Mallorca, ist diese wunderschön blühende Pflanze anzutreffen. Auf dem Sonderbeet im Apothekergarten wurde diese Pflanze mit mehr oder weniger Erfolg angepflanzt. Traditionell wird der Teeaufguss zum Spülen bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum verwendet. Nachgewiesen wurden bisher allein gewisse die allgemeinen Abwehrkräfte steigernde Eigenschaften. Auch enthält das Zistrosenkraut sogenannte Polyphenole, die freie Radikale abfangen sollen, die für die Entstehung vieler Erkrankungen verantwortlich gemacht werden. Aus Zweigen und Blättern gewinnt man ein eigentümlich duftendes Harz (Ladanum genannt), das in der Parfümerie Verwendung findet.

Granatapfel (Punica granatum L.)

Die Rinde des Granatapfelbaums ist ein alt bekanntes Bandwurmmittel. Das Alkaloid Isopelletierin lähmt die Muskulatur von Bandwürmern und anderen Wurmarten. Wegen der häufigen Nebenwirkungen wird die Droge heute nicht mehr empfohlen, da es inzwischen verträglichere Mittel gibt, wie zum Beispiel Yomesan® Tabletten von Bayer Vital. Die fleischigen Samen werden frisch verzehrt und der Saft ist ein beliebtes Getränk im mittleren Osten. Grenadine, der konzentrierte rote Fruchtsirup, ist ein bekannter Bestandteil von Mixgetränken. Die Firma Weleda verwendet feinstes Granatapfelsamenöl für kosmetische Erzeugnisse.

Lorbeer (Laurus nobilis L.)

Lorbeerblätter und Früchte des Lorbeerbaums werden nicht mehr arzneilich verwendet. Aus den Lorbeerfrüchten gewinnt man durch Auspressen Lorbeeröl (Lorbeerbutter), ein salbenartiges Gemisch aus fettem und ätherischem Öl, welches in Salben bei Prellungen, Verstauchungen und rheumatischen Beschwerden eingesetzt wurde. Das Öl kann allergische Reaktionen auslösen.

Ölbaum (Olea europaea L.)

Das Öl der Früchte, Olivenöl, ist eine Mischung aus verschiedenen einfach ungesättigten Fettsäuren und hat einen hohen Ölsäuregehalt. Es findet breite Verwendung als Arzneiträger für ölige Lösungen, in Salben sowie in Hautpflegemitteln. Arzneiliche Ver-wendungen wie blutdruck- und cholesterinsenkende Wirkungen sind nur aus der traditionellen Medizin bekannt. Olivenöl ist typisch für die süd-europäische Küche. In den Blättern ist das Oleuropein enthalten. Studien haben eine blutdrucksenkende und die Elastizität der Gefäßwände verbessernde Wirkung gezeigt.

Avocado, Avocadobaum (Persea americana MILL.)

Verwendet wird das Avocadoöl, das aus dem Fruchtfleisch durch Auspressen gewonnene, gegebenenfalls raffinierte, fette Öl, sowie die frischen Blätter. Das Fruchtfleisch enthält etwa 30% fettes Öl und davon mindestens 70% Glyceride unge-sättigter Fettsäuren. Das Öl ähnelt in seiner Fettsäure-zusammensetzung dem Olivenöl. In den Blättern befindet sich ätherisches Öl. Avocadoöl ist vor allem in Hautpflegemitteln und medizinischen Salben enthalten. Auf der Haut hat es einen guten Spreiteffekt und hält die Haut geschmeidig und feucht. Als Speiseöl wird Avocadoöl kaum eingesetzt. Avocado gilt als besonders nahrhafte Frucht. Wegen seiner geschmeidigen Eigenschaften wird das Öl auch gerne an Stelle von Butter als Brotaufstrich genutzt.

Schokoladenblume (Berlandiera lyrata BENTH.)

Sie steht bei uns im Apothekergarten als Zierpflanze. In den Sommermonaten geht von ihren Blüten ein Duft ähnlich wie von Schokolade aus.