Jetzt haben Sie das letzte Beet auf der linken Seite erreicht. Es trägt den Titel Herzbeschwerden (26).

Herzwirksame Glykoside, so werden die Inhaltsstoffe dieser Pflanzen genannt, werden nach wie vor auch heute noch eingesetzt bei einer Herzinsuffizienz. Das Herz kann nicht die Pumpleistung erbringen, die für die Versorgung des Körpers notwendig ist. In Wirklichkeit ist dies aus heutiger Sicht alles viel komplizierter, weil die Herzinsuffizienz als komplexes Ereignis verstanden wird und so kommt es, dass heute neben den Herzglykosiden synthetische Arzneimittel, wie ACE-Hemmer, Diuretika und sogar Beta-Blocker zur Anwendung kommen.

William Withering, Arzt in der englischen Stadt Birmingham, behandelte 1775 mit einem Aufguß aus Blättern des Roten Fingerhuts (Digitalis purpurea) Wassersucht und Herzinsuffizienz. Dr. Withering wusste damals noch nicht, dass er in der Wassersucht (engl. dropsy) lediglich ein Symptom der Herzinsuffizienz behandelte. Zehn Jahre später gelangt er bereits zu der Erkenntnis: „Die Digitalis übt auf die Bewegung des Herzens einen starken Einfluß aus, wie es bisher bei keiner Medizin beobachtet wurde“.

Eine sehr giftige Pflanze, dieser Digitalis. Die richtige Dosis zu finden erkannte schon er als das eigentliche Problem. Einmal war es das Alter der Blätter, das den Aufguß zu stark machte, dann die Jahreszeit in der diese gepflückt wurden, dann die Frage ob man die Wurzeln nehmen sollte, Wasser oder Alkohol als Lösungsmittel.

1867 konnte aus der Digitalispflanze (den Blättern) das wirksame Prinzip in Form feiner, weißer, glitzernder Nadeln, das Herzglykosid Digitoxin isoliert werden. Wie hoch wirksam dieses Digitoxin ist, erkennt man daran, dass bereits 1/10 Milligramm eine Behandlungsdosis ist. Die therapeutische Breite ist außerordentlich gering. Deshalb verlassen wir uns heute auch nicht mehr auf die Verwendung eines Extraktes aus den Blättern, sondern der Arzt wird Digitoxin verordnen, die reine Wirksubstanz aus den Blättern.

Bald fand man in vielen anderen Pflanzen ebenso herzwirksame Glykoside, wie z.B. im

  • Adonisröschen
(Adonis vernalis L.)
  • Maiglöckchen
(Convallaria majalis L.)
  • Weiße Meerzwiebel
(Urginea maritima (L.) Baker)
  • Oleander
(Nerium oleander L.)
  • Strophantus
(Strophantus gratus DC.)

Vorrang gebührt jedoch heute den therapeutisch gut steuerbaren Glykosiden aus dem:

Vorrang gebührt jedoch heute den therapeutisch gut steuerbaren Glykosiden aus dem: (Digitalis purpurea L.)
Roten Fingerhut (Digitalis purpurea L.)
Purpureaglykoside

Wolliger Fingerhut (Digitalis lanata L.)
Lanataglykoside. Die Arzneipflanze dient heute ausschließlich als Ausgangsmaterial zur Gewinnung der Reinglykoside und partialsynthetisch abgewandelter Stoffe, vor allem Digoxin, Acetyldigoxin und Methyldigoxin. Im Vergleich mit dem Roten Fingerhut gelten sie als besser verträglich, indem sie rascher aufgenommen und ausgeschieden werden und sich nicht im Körper ansammeln.

Oleander (Nerium oleander L.)
Die Wirkung der sehr giftigen Oleanderblätter ist schwächer als die von Fingerhutblättern, setzt aber rascher ein. Die Droge selbst ist nicht mehr im Gebrauch und aus den Arzneibüchern verschwunden. Durch Verwechslung von Eukalyptus- mit Oleanderblättern kam es zu einer ernsten Vergiftung.

Maiglöckchen (Convallaria majalis L.)
Maiglöckchen zählt mit dem Adonisröschen, Oleander und der Meerzwiebel zu den Digitaloiden (digitalisähnliche Wirkung). Derartige Präparate werden heute praktisch nicht mehr verwendet wegen unsicherer Wirkung.

Adonisröschen (Adonis vernalis L.)
Adoniskraut enthält herzwirksame Glykoside (Digitaloide). Sie finden Anwendung bei leicht eingeschränkter Herzfunktion mit nervösen Herzbeschwerden. Die Wirkung der Herzglykoside des Adoniskrauts setzt schneller ein, ist aber schwächer als bei jenen des Roten Fingerhuts. Außer in der Homöopathie sind Adoniskrautpräparate nicht mehr im Handel.

Meerzwiebel (Urginia maritima (L.) BAK. s. l.)
Inhaltsstoffe sind Herzglykoside besonderer Art, die sogenannten Bufadienolidglykoside (Scillaren A und Proscillaridin A), die eine digitalisähnliche Wirkung haben. Fertigpräparate kommen heute nicht mehr zum Einsatz; die Rote Liste 2006 für Ärzte enthielt zuletzt ein derartiges Präparat auf Proscillaridinbasis. Scilla-Glykoside wurden bislang eingesetzt bei leichteren Formen der Herzinsuffizienz; sie haben eine beträchtliche diuretische (wasserausschwemmende) Wirkung.

Besenginster (Cytisus scoparius (L.) Link)
Das Besenginsterkraut enthält Chinolizidinalkaloide, vor allem Spartein. Wegen des wechselnden Sparteingehaltes in der Droge werden eher Fertigpräparate mit standar-disierten Extrakten empfohlen. Man verwendete das Kraut zur unterstützenden Therapie von Herzrhythmusstörungen und bei zu niedrigem Blutdruck. Heute sind keine Fertigpräparate auf dem Markt. Homöopathische Präparate sind weiter verfügbar.

Herzgespann oder Löwenschwanz (Leonorus cardiaca L.)
enthält keine eigentlichen Herzglykoside, sondern Iridoidglykoside, Diterpene und Flavonoidglykoside. Das Kraut wird bei nervösen Herzbeschwerden und bei einer Überfunktion der Schilddrüse unterstützend eingesetzt. In der Volksheilkunde verwendet man Herzgespannkraut und seine Zubereitungen heute in der Regel nicht allein, sondern kombiniert mit weiteren pflanzlichen Mitteln wie Weißdorn und Baldrian.

Wolfstrapp (Lycopus europaeus L.).
Denn die Inhaltsstoffe (Hydroxyzimtsäure- und Kaffesäure-derivate, darunter Lithospermsäure) haben nichts mit den Herzglykosiden zu tun. Weil aber nervöse Herzbeschwerden auch im Rahmen einer Schilddrüsen-überfunktion (eventuell durch Lithospermsäure erklärbar) auftreten können, haben wir hier die Pflanze zur unterstützenden Anwendung aufgenommen.

Goldlack (Cheiranthus cheiri L.)
Er enthält zwar vor allem in den Samen auch Herzglykoside, aber er wird heute nicht mehr genutzt, da der Gehalt an giftigen Glykosiden allzu unsicher ist. Er wurde hier aber mehr als Zierpflanze angebaut. In der Homöopathie wird Goldlack noch verwendet.

Weißdorn (Crataegus laevigata (POIR) DC. und monogyna JACQ.)
Als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe aus dem Weißdorn (Blätter mit Blüten und Früchte) gelten die Flavonoide und oligomere Procyanidine, die gut verträglich und ungiftig sind. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die über 20 Jahre alte Positivmonografie der Kommission E für die Therapie der Herzinsuffizienz nicht mehr zutreffend ist. Das  Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat für Weißdorn lediglich den traditionellen Gebrauch (Traditional use)  nicht aber den „Well-established use“ vergeben. Dies bedeutet nun,  dass  für Weißdornextrakte die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei Herzinsuffizienz nicht bewiesen werden konnte.

Seit Jahrzehnten geht die Verordnung von Herzglykosiden zurück. Das gilt spätestens seitdem  mit ACE- Hemmern und Betablockern sichere und eindeutig lebensverlängernde Arzneimittel zur Behandlung der Herzleistungsschwäche vorhanden sind. 2015 haben mehr als 15 bzw. 6 Millionen Patienten täglich ACE-Hemmer bzw. Betablocker (auch zur Blutdrucksenkung) eingenommen, aber nur noch etwa 280 000 Herzglykoside – eine Halbierung gegenüber 2006. (Text übernommen aus der Apothekerzeitung 2017  Nr. 4 Seite 30).